Führungskräfte sind häufig die Instanz, die Konflikte lösen sollen, paradoxerweise wird ihnen laut Umfragen unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vielfach die erforderliche Konfliktkompetenz abgesprochen. Welche Chancen bieten also alternative Verfahren in der modernen Arbeitswelt, um Konflikte zu lösen? Lernen Sie hier 4 mögliche Wege kennen.
Inhalt
Konflikte am Arbeitsplatz: Eine Typologie
Konflikte am Arbeitsplatz oder in Betrieben lassen sich in den meisten Fällen einer der folgenden Konfliktkategorie zuordnen:
Werden Konflikte nicht rechtzeitig gelöst, besteht die Gefahr, dass diese sich von einer reinen Spannung hin zur totalen Konfrontation aufschaukeln.
Im letzten Stadium geht es für die Konfliktparteien nur noch darum die Gegenseite zu vernichten, auch wenn dies gleichzeitig die Selbstvernichtung bedeutet.
Klingt ziemlich dramatisch, aber ich bin mir sicher, dass jeder von uns schon einmal einen solchen Konflikt zumindest beobachtet oder mitbekommen hat.
Konflikte am Arbeitsplatz lösen, aber wie?
Nach wie vor ist es so, dass Konflikte am Arbeitsplatz häufig durch direktive Entscheidungen von Vorgesetzten gelöst werden. Konfliktlösung und damit -prävention ist also klassische Führungsaufgabe.
Umso überraschender ist, dass nach der Studie “Tough Times Tough Talk” aus dem Jahr 2010, einer Befragung von 1.000 Personen in britischen Unternehmen, Führungskräfte als überwiegend nicht ausreichend konfliktkompetent eingeschätzt wurden.
Auch dies mag dazu führen, dass sich in Unternehmen häufig die Wahrnehmung breit macht, dass Schwierigkeiten und Probleme ausgesessen oder totgeschwiegen werden, bzw. Konflikte zwar ausgetragen werden, jedoch auf wenig konstruktive Art und Weise und unter Inkaufnahme hoher Kollateralschäden und Kosten.
Nicht zuletzt deswegen ist es an der Zeit neue Wege bei der Konfliktbewältigung und Lösung zu beschreiten.
Wege, die auch den zunehmend agileren Arbeitsformen Rechnungen tragen und somit mehr Verantwortung in die Hände der Konfliktparteien gelegt wird.
Die LEAF-Methode: Missverständnisse schnell aus der Welt schaffen
Konflikte am Arbeitsplatz lassen sich nicht nur mit fremder Unterstützung zielführend lösen, sondern auch man selbst kann aktiv etwas für die Konfliktlösung tun.
Zum Beispiel mit der von Jeremy Pollack entwickelten LEAF-Methode. Sie eignet sich für akute Streitigkeiten, die auf Missverständnissen beruhen (es sich also um Kommunikationskonflikte handelt).
Für schon länger bestehende Konflikte oder Konflikte, die in der Persönlichkeit oder dem Kommunikationsstil begründet sind, eignet sie sich nicht. Hier kann zum Beispiel eine Mediation unterstützen.
LEAF steht dabei für
Die Konfliktanalyse
Während die LEAF-Methode helfen kann akute Konflikte, die aus einem Missverständnis entstanden sind, zu lösen, hilft die Konfliktanalyse bei unterschwelligen Konflikten.
Unterschwellige Konflikte treten häufig an Stellen zu Tage, die mit den tatsächlichen Gründen nichts zu tun haben und, weil die Sachebene hier nur noch eine untergeordnete Rolle spielen.
Diese Methode eignet sich also für alle Konflikttypen (Ausnahme Sachverhaltskonflikte)
Die Konfliktanalyse kann hier helfen, die wahren Ursachen offenzulegen und schließlich zu einer Lösung zu finden.
Dabei gliedert sich das Verfahren in die folgenden fünf Phasen, um möglichst alle Aspekte des Konflikts abzudecken:
Als Konfliktlöser, also z. B. Sie als Führungskraft, sollten Sie sich bewusst machen, dass auch Sie mitunter nicht neutral sind.
Eine wirklich neutrale Position einzunehmen ist nicht einfach. Wichtig ist daher sich vor Augen zu führen, dass man eigene Gefühle, Sichtweisen und Ziele mitbringt, die zumindest unterbewusst das eigene Handeln beeinflussen können.
Darüber hinaus beeinflusst uns natürlich auch die Erwartung anderer an uns und sei es nur, dass wir glauben, dass diese Erwartung an uns gerichtet ist.
Aufbau mediativer Kompetenz bei Führungskräften
Studien haben gezeigt, dass der frühzeitige, offene, deeskalierende Umgang mit Spannungen und Reibungen Konflikten gut vorbeugen kann.
Hierzu kann mediative Kompetenz von Führungskräften einen wertvollen Beitrag leisten.
Führungskräfte erlernen dazu Mediation als konkretes Kommunikations- und Führungsinstrument. Ziel ist es, ein Bewusstsein für Win-Win-Lösungen zu schaffen. Denn nur so können sich Menschen für diese Weise der Konfliktlösung entscheiden. Insofern geht es auch darum, den Mitarbeitenden das Grundkonzept der Mediation nahezubringen.
Mediative Führungsarbeit zeichnet sich auch dadurch aus, dass sich Führungskraft und Mitarbeitende in eine kooperative Verhandlung begeben und einen transparenten, strukturierten Prozess durchlaufen.
Damit werden Führungskräfte einer zentralen Aufgabe gerecht, nämlich eine Arbeitsatmosphäre zu schaffen, die von Vertrauen und Wertschätzung geprägt ist, auch wenn es zu Problemen, Meinungsverschiedenheiten und Konflikten kommt.
Denn erst in dieser Umgebung lassen sich Konflikte in einer Art und Weise lösen, dass sie das Unternehmen weiterbringen und nicht nur sichtbare und unsichtbare Kosten produzieren und die Organisation lähmen.
Mit mediativer Kompetenz helfen Führungskräfte also nicht nur dabei, eine konstruktive und wertschätzende Arbeitsatomsphäre zu schaffen, sondern sie leisten auch einen Beitrag dazu, dass viele Konfliktkosten im Unternehmen gar nicht erst entstehen, weil Konflikte frühzeitig geklärt werden.
Innerbetriebliche Mediation
Mögliche Anwendungsbereiche für innerbetriebliche Mediation sind vielfältig und reichen über alle Organisationseinheiten und Hierarchieebenen hinweg.
Lohnenswerte Anwendungsbereiche für Mediation in Betrieben sind zum Beispiel:
- Konflikte zwischen Kollegen: Umgang mit Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitszeiten und Arbeitsverteilung
- Konflikte im Team: Umgang mit Absprachen, Arbeitsfeldverteilung
- Konflikte zwischen Führungskräften und Mitarbeitern: Wer hat welche Aufgaben und Verantwortungsbereiche
- Konflikte im Zusammenhang mit Change Prozessen
Ergänzend dazu ist Mediation im Rahmen von Projektarbeit ein starkes Mittel, um Auseinandersetzungen und Streitigkeiten entweder frühzeitig vorzubeugen oder sie zukunftsorientiert zu lösen.
Beides ist verbunden mit dem Ziel knappe Projektressourcen (Zeit, Mitarbeiterkapazität und Budget) für die Projektzielerreichung einzusetzen.
Außerdem ist Mediation auch in den aufkommenden agilen (Projekt-)Organisationsformen ein sehr nützliches Tool zur Konfliktlösung und -prävention. Denn gerade in der Agilität kommt es auf kooperative Arbeitsbeziehungen sowie einen offenen und transparenten Umgang mit Fehlern an.
In der Mediation erfahren Mitarbeitende, dass sich Konflikte kooperativ und gewinnbringend lösen lassen.
Mit diesen Erfahrungen gewappnet werden sie nicht nur konfliktkompetenter, sondern diese Erfahrung strahlt in das ganze Unternehmen aus und hat einen positiven Einfluss auf die Betriebskultur.
Innerbetriebliche Mediation lässt sich einerseits über die fallbezogene Zusammenarbeit mit externen Mediatoren realisieren. (Mehr zur richtigen Auswahl von Mediatoren finden Sie hier). Andererseits über den Aufbau eines internen Mediatoren-Pools.
Betriebsinterne Mediatoren sind kostengünstiger als externe Mediatoren. Außerdem sind sie in der Regel schnell und ohne langwierige Beauftragung verfügbar. Darüber hinaus haben sie profunde Unternehmenskenntnisse und wissen, welche Lösungen machbar sind und welche nicht.
Gleichzeitig, hier kommt ein Aber, sind sie doch Teil des Systems „Unternehmen“.
Das heißt, dass sie manchmal eben doch von Konflikten und Lösungen direkt oder indirekt betroffen sind. Damit sind sie in Ihrer Allparteilichkeit und Neutralität gefährdet. Darüber hinaus haben es interne Mediatoren schwer, wenn sie in Konflikte eingeschaltet werden, in denen ihnen die Konfliktparteien hierarchisch übergeordnet sind.
Innerbetriebliche Mediatoren stehen also nicht für alle Konflikte zur Verfügung.
Vielmehr bedarf es im Einzelfall einer genauen Betrachtung, ob ein interner Mediator neutral und unabhängig sein kann. In der Praxis wird sich ein System als besonders geeignet erweisen, welches sowohl auf interne, als auch auf externe Mediatoren zurückgreift.
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